Andacht
zu Römer 11,1-12
Israel
Volk des Segens (10.Sonntag nach Trinitatis), Tag 4
Lesung:
Römer 11,1-12
So frage
ich nun: Hat denn Gott sein Volk verstoßen? Das sei ferne! Denn ich bin auch
ein Israelit, vom Geschlecht Abrahams, aus dem Stamm Benjamin. Gott hat sein
Volk nicht verstoßen, das er zuvor erwählt hat. Oder wisst ihr nicht, was die
Schrift sagt von Elia, wie er vor Gott tritt gegen Israel und spricht :
"Herr, sie haben deine Propheten getötet und haben deine Altäre
zerbrochen, und ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten mir nach dem
Leben"? Aber was sagt ihm die göttliche Antwort?: "Ich habe mir
übriggelassen siebentausend Mann, die ihre Knie nicht gebeugt haben vor dem
Baal." So geht es auch jetzt zu dieser Zeit, dass einige übriggeblieben
sind nach der Wahl der Gnade. Ist's aber aus Gnade, so ist's nicht aus
Verdienst der Werke; sonst wäre Gnade nicht Gnade. Wie nun? Was Israel sucht,
das hat es nicht erlangt; die Auserwählten aber haben es erlangt. Die andern
sind verstockt, wie geschrieben steht: "Gott hat ihnen einen Geist der
Betäubung gegeben, Augen, dass sie nicht sehen, und Ohren, dass sie nicht
hören, bis auf den heutigen Tag." Und David spricht: "Lass ihren
Tisch zur Falle werden und zu einer Schlinge und ihnen zum Anstoß und zur
Vergeltung. Ihre Augen sollen finster werden, dass sie nicht sehen, und ihren
Rücken beuge allezeit." So frage ich nun: Sind sie gestrauchelt, damit sie
fallen? Das sei ferne! Sondern durch ihren Fall ist den Heiden das Heil
widerfahren, damit Israel ihnen nacheifern sollte. Wenn aber schon ihr Fall
Reichtum für die Welt ist und ihr Schade Reichtum für die Heiden, wie viel mehr
wird es Reichtum sein, wenn ihre Zahl voll wird.
Thema:
Wenn Gott sein Volk Israel liebt, dürfen
wir es nicht hassen.
Auslegung:
Ist Israel heute noch Gottes Volk?
In dunklen Zeiten der deutschen und europäischen Geschichte sagte man nein. Man
meinte, die Juden hassen zu dürfen, weil sie Christusmörder seien. In
entschärfter Form begegnen ähnliche Argumente immer noch: Israel habe Jesus,
seinen von Gott gesandten Messias und Heiland nicht erkannt, deshalb habe es
nun auch nicht mehr das Recht, heiliges Volk zu heißen. Oder man fragt: Israel
heute ist nicht bereit zum Frieden mit seinen arabischen Nachbarn. Kann ein
solches Volk noch Gottes auserwähltes Volk sein? Nein!
Paulus sieht das anders. Er ist selbst Israelit. Und es erfüllt
ihn mit tiefem Schmerz, dass Israel Christus nicht erkannt hat. An einer Stelle sagt er sinngemäß: Wenn es möglich wäre,
dass ich in die Hölle käme, und dafür ganz Israel gerettet würde: ich würde es
machen. Natürlich ist das ein rein hypothetischer Gedanke.
Israel ist und bleibt Gottes
auserwähltes Volk. Wenn Gott dieses Volk liebt, dürfen wir
es hassen? Nein! Sondern unser Auftrag ist es, Israel zu lieben. Dazu gehört
auch, dass wir uns mit Paulus sorgen, wie Israel doch noch zu Christus, seinem
von Gott gesandten Messias finden könnte. Jesus hat gesagt: Gehet hin
... und machet zu Jüngern alle Völker... Da ist kein Volk
ausgeschlossen, auch Israel nicht.
Gebet:
Herr Jesus Christus, wir bitten dich für dein Volk Israel. Nimm
den Geist der Betäubung von den Israeliten. Gib ihnen Augen, dass sie dich, ihren Heiland, erkennen. Gib ihnen Ohren, dass sie auf deinen Vater, ihren Gott, hören. Segne
Israel. Amen.
Impuls:
Scheren Sie manchmal ein ganzes Volk
(bzw. Bevölkerungsgruppe) über einen Kamm Die Franzosen sind... Die Polen sind... Die Ostfriesen
sind... Die Amerikaner sind...? Paulus schaut, was Israel betrifft, nicht so oberflächlich hin. Er pauschalisiert
nicht. In jedem Volk gibt es solche und solche, auch in Israel. Und den kleinen
heiligen Rest, der Gott treu geblieben ist, gibt es
auch hier, für Paulus ein Grund zur Hoffnung.
Hintergrundinformationen:
v Man darf die Juden nicht
pauschal als Christusmörder abstempeln. Denn die Hinrichtung Jesu war multiethnisches
Teamwork von Juden und Römern. Nicht nur die Gegner Jesu, sondern auch seine
Freunde haben sich schuldig gemacht: Der eigene Jünger Judas hat Jesus
verraten, Petrus hat ihn verleugnet, die Jünger haben geschwiegen und sind
geflohen. Die Ursache für den Tod Jesu ist nicht das jüdische Volk, sondern das
Netzwerk der Sünde, in das alle Menschen, auch wir, verstrickt sind.
v Messias ist der im AT
angekündigte Gesalbte, der von Gott kommt und dem Volk Israel sowie der Welt
das Heil bringt.
Autor dieser Andacht: Robert Augustin